Die aktuellen Diskussionen und Aktivitäten um Gas in Österreich und Europa konterkarieren den notwendigen Ausstieg aus fossilen Energieträgern infolge des Klimawandels.
Sowohl Schlagzeilen über das Gas – vom aktuellen Überangebot in Europa bis zur Diskussion in Österreich über mögliche Ausstiegsszenarien aus russischem Gas – als auch zum Klimawandel bestimmen derzeit die mediale Berichterstattung, von immer neuen Rekordmeldungen über den heißesten Monat seit Wetteraufzeichnungen bis zu erwartbaren katastrophalen Schäden durch den Klimawandel in Europa in Billionenhöhe.
„Europa mit Gas überschwemmt – Ukraine als Lagerort denkbar“ tituliert etwa die Finanzmarktwelt vom 1.März 2024[1]. Hintergrund ist der aktuelle Füllstand der Gasspeicher in Europa. Im Schnitt beträgt dieser Wert aktuell knapp 63 %, was einem Rekordwert zu dieser Jahreszeit entspricht und den Gashandel dazu zwingt darüber nachzudenken, wie ein weiterer Preisverfall bei Gas hintangehalten werden kann. Nachdem die Gasspeicher noch zu voll sind, werden schwimmende Lager ins Spiel gebracht (verflüssigtes Erdgas wird vor dem Entladen länger auf Schiffen gelagert) oder eine Zwischenlagerung in der Ukraine.
Im Global Energy Monitor vom März 2024[2] ist die Rede davon, dass aktuell in Europa gerade derartig viele LNG-Terminals und Gaspipelines im Bau bzw. in Planung sind, dass mit gewaltigen Überkapazitäten zu rechnen sein wird. Das alles unter dem Gesichtspunkt, dass die Nachfrage nach Gas weiter sinkt.
Europa muss nach Einschätzung der Europäischen Umweltagentur (EUA) dringende und zusätzliche Maßnahmen ergreifen, um sich auf „katastrophale“ Folgen des Klimawandels vorzubereiten. Die globale Erwärmung werde extreme Wetterereignisse wie Hitzewellen, Dürren, Waldbrände und Überschwemmungen selbst „in optimistischen Szenarien verschlimmern und die Lebensbedingungen auf dem gesamten Kontinent beeinträchtigen„, warnt die EUA an ihrem am Montag vorgelegten ersten Bericht.
Fazit: Gas ist genügend vorhanden, mehr als der Markt braucht, was den Preis senkt. Ein Ausstieg Österreichs aus russischem Gas scheitert offensichtlich am politischen Willen, stellt die Versorgungssicherheit aber keineswegs in Frage. Möglichkeiten der Diversifizierung bei den Anbietern sind vorhanden. Einsparungspotentiale müssen aus Sicht des dramatischen Klimawandels aber dringendst forciert werden.
Was hat das mit Molln zu tun?
Im Bescheid der Abteilung Naturschutz vom 23. November 2023 betreffend den naturschutzrechtlichen Antrag auf Bewilligung für die Erdgasaufschlussbohrung Welchau-1 wird das Naturschutzgutachten des Amtssachverständigen mit dem Ergebnis zitiert, dass eine
- wesentliche Beeinträchtigung des Naturhaushalts
- wesentliche Beeinträchtigung des Erholungswerts der Landschaft
- erhebliche Beeinträchtigung des Landschaftsbilds
bei der Durchführung des Projekts vorliegt und das „beantragte Projekt somit aus fachlicher Sicht negativ zu beurteilen ist.“ Unter Berücksichtigung aller naturschutzfachlichen Gesichtspunkte, vor allem auch des Artenschutzes und möglicher Auswirkungen auf das Naturschutzgebiet Jaidhaus und den Nationalpark, wurde der Eingriff insgesamt aber als „nicht wesentlich“ beurteilt. Entscheidend für diese Beurteilung ist eine Befristung des Projekts auf das Winterhalbjahr, konkret bis 31.3.2024. ADX hat zuletzt mehrfach betont, diese Frist einzuhalten. Das erscheint insofern bemerkenswert, da im montanrechtlichen Bescheid für die sogenannten „cased hole tests“, die im Falle eines Gasfundes durchzuführen sind, ein Zeitraum von bis zu fünf Wochen angegeben wird. Wir weisen zum wiederholten Male darauf hin, dass eine Fristverlängerung auf der Grundlage des gültigen Bescheides nicht rechtskonform wäre. Kritisch anzumerken ist diesbezüglich auch, dass im Bescheid nicht geregelt ist, wie das weitere Prozedere betreffend den Abbau der Anlagen und einer Rekultivierung aussieht.
Fertigstellung der Probebohrung mit 31. März trotz Ankündigung von ADX fraglich
In der Interessensabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einer Gasprobebohrung in Molln und dem Naturschutz kommt die Behörde zum Schluss, dass das öffentliche Interesse am Gas höher zu bewerten ist.
Im Bescheid ist das so ausgeführt:
„Dieses öffentliche Interesse am Natur- und Landschaftsschutz ist als außerordentlich hoch zu bewerten, wird doch täglich eine nicht unerhebliche Anzahl von Flächen völlig versiegelt und der Natur entzogen. Gerade weil der Naturraum oder naturnahe Bereiche immer mehr versiegelt, möbliert oder für touristische Zwecke umgestaltet werden, müssen sehr naturnahe Bereiche wie der Talraum Jaidhaus bestmöglich erhalten werden. Dies liegt in einem sehr hohen öffentlichen Interesse.“
„Allerdings bestehen im vorliegenden Fall auch sehr hohe öffentliche Interessen an der geplanten Probebohrung. Zwar ist es in Zeiten des unverkennbaren Klimawandels nicht mehr opportun, weiterhin auf die Erschließung fossiler Brennstoffe zu setzen, allerdings wird die Gasgewinnung als Übergangstechnologie wohl noch einige Zeit Verwendung finden müssen. Dies nicht zuletzt unter dem Aspekt, dass auf Grund des Ukrainekrieges die Abhängigkeit von russischem Erdgas verringert werden muss, um die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft erhalten zu können. Dem kommt ein sehr hohes öffentliches Interesse zu. “
Ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Gasbohrung wird aus Sicht der Behörde dadurch
„untermauert, dass die Gasgewinnung auch deshalb im öffentlichen Interesse liegt, da es sich der Bund als bundeseigenen Rohstoff vorbehalten hat. Bei einer allfälligen Fündigkeit der Probebohrung kann Österreich seinen Gasbedarf rund drei Jahre selbst decken, was ebenfalls ein außerordentlich hohes öffentliches Interesse darstellt. Allerdings ist dies derzeit noch nicht spruchreif, da unklar ist, ob überhaupt förderwürdiges Gas gefunden wird, so dass dieser Aspekt bei der Interessenabwägung derzeit noch nicht herangezogen werden darf.“
Diese Argumentation ist aus unser Sicht in sich widersprüchlich, was auch bereits in den entsprechenden Beschwerden gegen den Bescheid von Umweltdachverband, Naturschutzbund, Österreichischer Alpenverein und Greenpeace betont wurde. In weiterer Folge ist sie im Lichte der aktuellen Situation betreffend den europäischen Gasmarkt, die Möglichkeiten und Notwendigkeiten eines Aussteigs Österreichs aus russischen Erdgaslieferungen und damit der Sicherstellung der Gasversorgung in Österreich nicht haltbar.
Österreich könnte bestenfalls in vielleicht drei oder vier Jahren Gas aus Molln nutzen. Wieviel ist vollkommen unklar. Laut eigenen Angaben von ADX könnte durch Gas aus Molln bestenfalls eine Eigenversorgung in Österreich von etwa 20% erreicht werden. Die Voraussetzung dafür wäre, dass das Gas in Österreich bleibt. Alan Reingruber von ADX will dies allerdings nicht garantieren, wie in einem Artikel in der Zeitschrift Falter (Ausgabe 9/2024) nachzulesen ist: es gibt einen freien Markt, sagt Reingruber. Österreich habe aber einen Vorteil, weil der Transport von Erdgas Geld koste.
Die Gasbohrung in Molln ist faktenbasiert nicht zu verantworten
Wir brauchen angesichts eines dramatischen Verlusts an Arten und Lebensräumen einen verantwortungsvollen Umgang mit den Restbeständen an intakter Natur, und wir brauchen endlich effektive Maßnahmen gegen den Klimawandel, vor allem durch eine Verringerung unseres Energiebedarfs. Wir brauchen keine Projekte, die lediglich den wirtschaftlichen Interessen eines börsennotierten Unternehmens dienen, Natur zerstören und den Klimawandel weiter antreiben.
Von einer verantwortungsvollen und nachhaltigen Politik erwarten wir uns daher ein faktenbasiertes Handeln und Entscheidungen. Ein Gasbohrprojekt in Molln ist „faktenbasiert“ nicht zu verantworten.
[1] https://finanzmarktwelt.de/gas-europa-302858/
[2] https://globalenergymonitor.org/report/europe-gas-tracker-2024/