Fjodor Dostojewski sagte angeblich: „Niemals lässt sich aus Büchern lernen, was man nicht mit eigenen Augen sieht.“ Deshalb haben wir zwei Exkursionen ins Jaidhaustal veranstaltet, um allen die Möglichkeit zu geben, dieses Naturgebiet mit eigenen Augen zu sehen, Fragen zu stellen und den geplanten Bohrplatz zu besichtigen.
Der Weg dahin führt zunächst entlang von konventionell bewirtschafteten Wiesen, bevor linkerhand das Naturschutzgebiet beginnt. Vom fachkundigen Leiter der Exkursion aufmerksam gemacht, fällt der eklatante Unterschied zu den extensiv bewirtschafteten Hängen gleich ins Auge. Die schonend, einmal im Jahr gemähten Flächen wimmeln nur so von Insekten, Schmetterlingen und Eidechsen, die sich in einer beeindruckenden Vielfalt von Pflanzen tummeln.
„Auf einer intensiv bewirtschafteten Wiese kommt man auf eine Artenzahl von 15, maximal 20 verschiedenen Gefäßpflanzen auf einer Fläche von 5×5 Metern. Auf den extensiv bewirtschafteten Flächen findet man auf gleicher Fläche durchschnittlich 80 verschiedene Pflanzen.“
Florian Kogseder, Landwirt und Naturschützer
Die Wiese, auf der – ginge es nach ADX – im Herbst bereits der 40 m hohe Bohrturm stehen soll, erreichen wir nach ca. halbstündigen Fußmarsch. Sie liegt eingebettet im Naturschutzgebiet, auch wenn sie selbst nicht dazu gehört. Wer davor steht, erkennt aber ganz unmittelbar, dass jeder Eingriff hier massive Auswirkung auf die umliegenden Hänge hat. Es wird nun auch nicht fachkundigen Besuchern klar, dass die Licht- und Lärmbelastung durch eine Bohrung die umliegende Flora und Fauna immens beeinflussen muss.
Der Weg führt uns weiter auf den Hügel, der das Nebental vom Weittal trennt. Oben öffnet sich der Blick auf eine Idylle. So weit das Auge reicht, ist nur Natur zu sehen. Unvorstellbar, dass hier bald Schwerverkehr rollen soll.
Am Weg zurück macht uns Florian immer wieder auf Orchideen, Narzissen und seltene Wiesenpilze aufmerksam. Wir lernen, dass die Artenvielfalt hier so groß ist, weil das Gebiet an der Grenze zwischen Ost- und Westalpen liegt und zusätzlich durch seine glaciale Entstehungsgeschichte geologisch eine große Vielfalt aufweist, sodass verhältnismäßig viele verschiedene Pflanzen hier einen geeigneten Lebensraum finden.
Zum Abschluss besuchen wir noch die sogenannten „Buckelwiesen“. Hier wurde noch nie gedüngt, eine solche Wiese ist also absolut einzigartig. „Am Botanik-Institut auf der Uni Wien kennt diese Wiesen jeder“, schmunzelt Florian. Franz Essl, Wissenschaftler des Jahres 2022, verfasste über dieses Gebiet seine Diplomarbeit – in Fachkreisen gilt das Gebiet als El Dorado der Botanik.
Wir beenden die Exkursion mit gemischten Gefühlen. Es stimmt, was Dostojewski sagte: Erst was man mit eigenen Augen gesehen hat, hat man wirklich verstanden. Und wir haben verstanden, dass dieses Gebiet nicht der Gier nach einer Energieform geopfert werden darf, die keine Zukunft hat.